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Komplexität

Das Thema Komplexität ist in aller Munde.

Kaum eine *Managementtagung* ohne die Aussage: „Wir müssen lernen im Nebel zu navigieren!“ Was daran ist denn eigentlich so neu und besonders? Management hieß schließlich schon immer, sich mit Unsicherheiten und Emergenzen zu beschäftigen. Was sich geändert hat, sind Geschwindigkeit sowie Grad der Vernetzung und die Fluidität der Verhältnisse, die dafür sorgen, dass einfache Ursache-Wirkungszusammenhänge und monokausale Erklärungsmuster nicht mehr mit der Dynamik der Entwicklung mithalten können.

Wer oder was macht komplex?

Schauen wir uns die der aktuellen Komplexitätsdiskussion an; diese sind technischer Natur (vgl. autonomes Fahren oder virtuelle Welten), politischer Natur (vgl. Humanisierung der Arbeit, Demokratisierung oder AGG) sowie ökologischer Natur (vgl. Smog in China, Atomausstieg oder Klimawandel).

Stellen wir uns ein Mobile vor, an dem genau diese Treiber hängen. Das Gebilde hängen wir an einen Teller, den es auf einem dünnen Stab auf einem Finger in der Luft zu balancieren gilt. Währenddessen stehen wir auf einer wackligen Bodenplatte, die sich nach einem Zufallsprinzip bewegt. Diese Beschreibung drückt, laut Vorständen und Geschäftsführern, aktuell das Grundgefühl aus: „Ich muss alles im Blick halten und zwar gleichzeitig.“

Einfache Rezepte?

Psychologisch gesehen sind wir gerade damit überfordert, denn unsere Urwünsche lauten Kontrolle und Vorhersagbarkeit. Wir wollen Komplexität nicht nur verstehen. Wir wollen sie domestizieren und dressieren. Daher verwundert es nicht, dass der Gegentrend „Vereinfachung“ heißt. Einfache Rezepte wie „Simplify your Business“ haben Hochkonjunktur. Doch einfach ist eben oftmals banal und unangemessen. Nun haben wir also zwei sich widersprechende Wünsche: Sicherheit, Kontrolle und Steuerbarkeit auf der einen Seite; Flexibilität, Vertrauen und Selbstorganisation auf der anderen.

Zusammen ist man weniger

Die Hauptfalle, die wir in vielen Unternehmen erleben, ist, dass sich zwei Vereine mit jeweiligen Fankurven bilden. Der „FC Struktur“, vertritt (meist vehement) die Position, Struktur und Prozesse seien die Lösung zur Entwirrung komplexer Wirklichkeiten. „Lokomotive Lässig“ setzt im gegnerischen Spielfeld währenddessen auf Flexibilität, Agilität und Selbstverantwortung.

Der erste Lösungstipp

Seien Sie Spielverderber steigen Sie aus!

Komplexität ist nicht mit „Entweder-Oder-Denken“ lösbar. Es braucht eine „Sowohl-Als-Auch“-Haltung! Also klare, deutliche Prozesse mit logischen Standards, die gerade deshalb Flexibilität, Wendigkeit und Ausprobieren unterstützen. Bringen Sie beide Vereine zusammen und moderieren Sie einen Dialog, mit den Fragen: „Was wollen wir eigentlich wirklich? Wer ist denn tatsächlich unser Gegenspieler? Welche Spielzüge bringen uns gemeinsam weiter?“

Der zweite Lösungstipp

Organisieren Sie Unternehmen gleichermaßen flexibel und standardisiert.

Kleine Einheiten, in denen mit Experimentierfreude ähnlich wie in Start-ups vorgegangen wird. Probieren Sie mal folgendes aus: Eine halbe Stunde pro Woche dürfen die Bereiche das „Frickel-Feeling“ nutzen. Hier gilt paradoxerweise die Regel: Keine Regeln! Just try! Wenn was bei rauskommt: Umsetzen. Wenn nicht: Beim nächsten Mal weitermachen. Sie glauben eine halbe Stunde haben Ihre Teams nicht? Prüfen Sie einmal andere Meetings kritisch. Meetings sind nach meiner Überzeugung der Zeitkiller No. 1: Zu viele, zu ineffizient und zu dick besetzt. Kleiner Randtipp mit großer Wirkung: Aus dem systemischen Denken heraus wissen wir, dass sich Menschen in Organisationen gerade durch ein gewisses Maß an Sicherheit und Struktur auf Unsicherheit einlassen. Klare Abläufe verhindern also keineswegs Agilität, sondern beflügeln diese. Die Dosis macht das Gift!

Der dritte Lösungstipp

Erkennen Sie Ihre apokalyptischen Reiter; psychologische Fallen, denen wir alle unabhängig von Erfahrung und Alter ausgesetzt sind, wenn wir Phänomene nicht mehr sicher vorhersehen können. Oder was meinen Sie, wie sonst Wahrsagerei und Aberglaube entstanden sind?

Apokalyptische Reiter der Komplexität

  • Ballistisches Verhalten
    Handeln und Entscheiden ohne Kontrollschleife. „Da müssen wir jetzt einfach mal durch!“
  • Zielabsolutismus
    Einseitige Optimierung nur einer Zielgröße. „Rentabilität über alles!“
  • Informationsexzesse
    Anhäufen von unorganisierten Datenmengen oft verbunden mit häufigem Entscheidungsaufschub. „Erst, wenn wir alle Details präzise erfasst haben, können wir eine Ableitung treffen und das kann dauern!“
  • Einkapselung
    Rückzug auf beherrschbare Teilbereiche. „Wir konzentrieren uns ganz auf unser bestehendes Kerngeschäft und überlassen Trends dem Wettbewerb!“
  • Excessive Protection
    Dieses als „Peltzmann-Effekt“ bekannte Phänomen besagt, dass Menschen bei zu viel Sicherheit eben diese durch unsicheres Verhalten reduzieren. So führten etwa mehr Autogurte in den USA zunächst zu einer höheren Zahl von Unfällen durch risikoreicheres Fahren.

So kommen Sie ganz gut durch

  • Heuristiken statt Regeln
    Um Komplexität zu handhaben brauchen wir ¸bergeordnete Leitlinien, die sogenannten Heuristiken. Einbrecher leben gut mit: „Häuser mit einem Auto vor der Tür sind tabu!“ Die Personalsuche bei Google setzt auf: „Suche nach Exzentrikern.“ und „Setze auf Empfehlungen unserer Mitarbeiter.“ Für Besprechungen empfehle ich: „Angemessenes Einbringen“ statt Regeln wie „Ausreden lassen!“ oder „Handy aus!“.
  • Auswirkungen statt Linearität
    Berücksichtige bei Entscheidungen Kurz-, Mittel- und Langfristeffekte. Insbesondere unter Druck blenden wir Konsequenzen aus und prognostizieren unsauber aus der Vergangenheit in die Zukunft. Doch lineare Zusammenhänge sind unwahrscheinlich. Also: Wohin wollen wir? Wozu wollen wir das? Womit können wir das erreichen? Und, was passiert, wenn genau das passiert?
  • Surf die Welle
    Gehe mit der jeweiligen Energie. Nutze aktuelle Strömungen. Bleibe wendig. Kleine Einheiten, die flexibel sind, umkreisen den großen Planeten des Unternehmens bei Audi. Was in flexiblen Einheiten ausprobiert wird und funktioniert, wird zum Prozess. Was nicht, wird als Lernpfad im Organisationsgedächtnis abgespeichert. Gehe kleine Schritte. Kopple schnell zurück. Passe an. Gehe erneut.
  • Frickeln auf hohem Niveau
    Lade zum Experimentieren ein. Kombiniere, guck ab, denke quer und nutze Fehler. „Ah, toll ein Fehler, was können wir daraus lernen? Welche Produkt- oder Prozessidee könnte sich verstecken?“, statt der typischen Reaktion: „Verdammt, stell ihn ab und sorg dafür, dass er so nicht mehr vorkommt!“ Dabei bitte nicht das hohe Niveau vergessen, sonst wird es Pfuschen. Und das war noch nie eine gute Idee.

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