Mehr zu Coaching und Organisationsentwicklung

Akademie Magazin

Entdecken Sie wertvolle Einblicke und praxisorientierte Ansätze rund um Coaching und Organisationsberatung.

Ganz­heitliches Entscheiden

„Entscheiden ist richtungsgetriebenes Handeln“ (Lietz, 2009). Um ganzheitliche Entscheidungen treffen zu können, brauche ich demnach eine Richtung. Anders ausgedrückt: Wer kein Ziel hat, kann nicht sinnvoll entscheiden. Klingt zunächst banal, ist es im Führungsalltag jedoch keineswegs. Denn die Verarbeitungskapazität des menschlichen Bewusstseins liegt nur bei 60 Bits pro Sekunde – gerade mal ausreichend, um einen kurzen Satz zu lesen und zu verstehen.

Der Arbeitsspeicher kann bis zu sieben Informationen verarbeiten. Kaum ausreichend für die Verarbeitung komplexer Situationen, in denen Managemententscheidungen sich i.d.R. bewegen. Der Neurobiologe B. Libet geht davon aus, dass es „unbewusstes Wissen“ gibt, was uns hilft Entscheidungen zu treffen. Ein Teil der Intuition beruht laut dem Hirnforscher G. Roth auf unserem evolutionären Erbe. „Wir müssen uns damit abfinden, dass unser Verstand nicht Herr im eigenen Haus ist."

Das wusste offenbar auch Juliane Werding, als sie sang: „Wenn Du denkst, Du denkst, dann denkst Du nur, Du denkst.“

Eine einfache Entscheidungsformel ist die so genannte „Rekognitionsheuristik“, die besagt „Wenn du angeben sollst, welches von zwei Objekten dem anderen auf irgendeine Weise überlegen ist, dann wähle dasjenige aus, das du kennst.“

Wenn wir eine überschaubare Zahl von Alternativen als Grundlage unserer Entscheidung haben, entscheiden wir besser, wenn wir die Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen sorgfältig abwägen können. So waren bei 4 Wahlmöglichkeiten und 4 Kriterien in einem Experiment des niederländischen Sozialpsychologen Dijksterhuis die Personen überlegen, die ohne Ablenkung sorgfältig bewerten und überlegen konnten. Erhöht sich die Wahlmöglichkeit, trafen 60% der Probanden die objektiv bessere Wahl, wenn sie ihren Gefühlen spontan folgen. Diese Intuition ist kein angeborenes Wesensmerkmal, sondern erwächst aus Erfahrung. Je mehr im Pool drin ist, desto besser können wir aus diesem schöpfen. Doch nicht immer ist dieses Agieren „aus dem Bauch“ dem rationalen Abwägen überlegen.

Intuitives Vorgehen empfiehlt sich,

wenn die Situation komplex ist und wir in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht alle relevanten Parameter analysieren können;
wir Erfahrung mit der vor uns liegenden Situation haben oder zu vergleichbaren Situationen einen Bezug herstellen können;
unser „somatischer Maker“ sich meldet bzw. wir ihn in der jeweiligen Situation achtsam Raum geben können und wollen. Mit dem Begriff des somatischen Makers wird die Körperreaktion beschrieben, die wir bei Entscheidungen erleben; das Ziehen im Rücken oder das Kribbeln im Bauch.

Analytisches Vorgehen ist angezeigt,

wenn die Parameter gut bewertbar und strukturierbar sind;
neue Varianten zielführender sind als altbewährte Routinen. Intuition wählt sozusagen eine mentale Abkürzung und wählt eher das Bekannte als das Ungewisse und Neue, daher braucht Innovation Nachdenken; die Gefahr kognitiver Fallen besteht. Eine Entscheidungsfalle ist der „Effekt der versunkenen Kosten“. Wir haben bereits etwas für eine Richtung investiert und müssen nun umkehren, um die Kosten der schon getroffenen Wahl zu minimieren. Verlieren würden wir so oder so, die Frage ist nur, wie viel. Machen wir ein kleines Gedankenexperiment: Sie wollen einen Ring für 200,-€ kaufen und lassen diesen zurücklegen. Sie zahlen 100,-€ an. Einen Tag später sehen Sie, dass ein Wettbewerber den gleichen Ring für 90,-€ veräußert. Was tun Sie? Sie können entweder den Restbetrag im alten Laden zahlen oder im neuen Laden kaufen und somit 10,-€ insgesamt sparen.

Eine Studie von D. Lovallo & D. Kahneman „How Optimism Undermines Executives`Decisions“ Harvard Business School (2003) weist auf drei zentrale Managementschwächen in Entscheidungssituationen hin:

  • Unterschätzung des Risikos – Häufig werden Risiken, die mit Entscheidungen einhergehen ausgeblendet oder zu wenig beachtet. Praxistipp: Erstellen Sie eine Übersicht über die zentralen Risiken der verschiedenen Entscheidungsvarianten. Hierzu haben sich Visualisierungen bewährt, die diese auf einen Blick sichtbar machen.
  • Überschätzung der Chancen – Die Möglichkeiten einer getroffenen Entscheidung werden tendenziell unrealistisch überschätzt. Praxistipp: Betrachten Sie die Chancen aus der Brille des „kühlen Denkers“.
  • Zögerliches Entscheidungsverhalten – Entscheidungen werden aus Furcht, die Verantwortung übernehmen zu müssen, zu spät getroffen. Praxistipp: Setzen Sie sich ein Zeitlimit für die Entscheidungen.

Entscheidungen treffe ich als Führungskraft eigenständig. Gruppen neigen zu riskanteren Entscheidungen, das sogenannte risky shift. Zusätzlich erschweren Gruppendruck und Positionierungskämpfe fundierte Entscheidungsfindungen. Nach meiner Überzeugung gibt es bei Managemententscheidungen keine wirklichen Gruppenentscheidungen, sondern lediglich Gruppenprozesse, die Einzelentscheidungen unterstützen. Holen Sie also lieber Meinungen von Kollegen und Mitarbeitern ein. Schätzen Sie ab, welche Entscheidungsneigung die jeweiligen Personengruppen haben, um dann Ihre Entscheidung zu treffen. Dabei verzichten Sie bitte auf die „Schülermitbestimmung“, indem Sie so tun, als ob Sie die Mitarbeiter an der Entscheidung beteiligen würden. Begründen Sie vielmehr Ihre Wahl und erläutern Sie den Weg Ihrer Entscheidungsfindung. Das schafft weitaus mehr Akzeptanz als vorgegaukelte Kooperation.

10 goldene Entscheidungsregeln:

  1. Vertraue Deinem Bauch in vertrauten und komplexen Situationen
  2. Misstraue Deinem Bauch in neuen oder überschaubaren Situationen
  3. Setz Dir ein Zeitlimit für die Entscheidungsfindung
  4. Sammle wichtige Fakten und gewichte diese
  5. Betrachte mögliche Risiken
  6. Beziehe unterschiedliche Standpunkte
  7. Finde Unterstützer Deiner Führungsentscheidung
  8. Durchdenke und Durchfühle Auswirkungen
  9. Sorge für verbindliche Umsetzung
  10. Lass Kurskorrekturen zu

Noch ein Gedanke zum Abschluss. „Wer auf einem harten Stuhl sitzt, trifft eher harte Entscheidungen, wer ein weiches Sitzmöbel wählt, neigt zu Milde.“ (John Bargh, Universität Yale). Wahrnehmungen prägen unser Denken. Achten Sie doch bei der nächsten Kreditentscheidung bei ihrem Bankier mal darauf, wie er sitzt und bieten Sie ihm ein weiches Kissen an.

Zurück