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Akademie Magazin

Zusammenarbeit erfolgreich gestalten

Gedacht von Andreas Steinhübel

Vermutlich kennen Sie den Ausspruch, was bedeutet TEAM: Toll, ein anderer macht´s. Oder wie ich letztens in einem Workshop gehört habe: Täglich einen anderen mobben. Im Zuge der Flexibilisierung der Arbeitswelt finden Teamkonzepte wieder viel Beachtung. Anlass genug, mich in diesem Denkbrief den Licht- und Schattenseiten von Teamarbeit zu widmen. Ich beschäftige mich sowohl wissenschaftlich als auch als Teamentwickler schon seit Jahren mit Gruppenarbeitskonzepten. Mich hat dabei immer wieder die einseitig positive Betrachtung verwundert, kennen wir doch alle auch die herausfordernden Seiten von Zusammenarbeit mit Menschen, die wir oftmals ja nicht frei wählen können. Schauen wir es uns also mal genauer an.

Teamarbeit ist dort sinnvoll, wo die Erfüllung einer Aufgabe ein genügend hohes Maß an direkter Zusammenarbeit erfordert. Dies ist bei komplexen, arbeitsteiligen und funktionsteiligen Aufgabenstellungen der Fall, bei denen übergreifend und interdisziplinär eine Abhängigkeit besteht.

Die Lichtseiten von Teamarbeit

Gegenseitige Unterstützung: Im Team kann gegenseitige Hilfe und Solidarität entstehen. Der berühmte Synergieeffekt ist gut nachgewiesen, wenn es eine Kultur des Vertrauens und der Wertschätzung gibt.

Kreativität: In Teams können kreative Glanzleistungen entstehen, wenn unterschiedliche Perspektiven und Ideen zugelassen werden.

Höchstleistung: In Teams, in denen gemeinsam Leistung gewürdigt wird, die sich gegenseitig positiv anstacheln, können extrem starke Leistungen erbracht werden.

Die Schattenseiten von Teamarbeit

Risiken von Teamarbeit

„Ein Mann allein trägt zwei Eimer Wasser. Zwei Männer tragen einen Eimer Wasser und drei Männer tragen überhaupt kein Wasser mehr.“ (Chinesisches Sprichwort)

  • Gefahr des „Trittbrettfahrens“, d.h. einzelne Teammitglieder ruhen sich auf Kosten anderer aus
  • Teams neigen dazu, risikoreichere Entscheidungen zu treffen.
  • Teams, insbesondere Hochleistungsteams, haben die Gefahr der Arroganz und Abgrenzung gegenüber anderen
  • Aufgaben, die keine Kooperation erfordern, können effektiver ohne Team bearbeitet werden.
  • Teilweise werden durch den Konformitätsdruck bessere Einzelmeinungen nicht gewürdigt.
  • Nicht immer ist die Gruppenleistung besser als die Summe aller Einzelleistungen.

Nun stellt sich also die Frage, wie fördern wir die Chancen und halten die Risiken möglichst klein. Teamerfolg ist kein Selbstläufer! Es braucht zum einen die richtige Grundarchitektur und zum anderen eine kontinuierliche Steuerung und Entwicklung.

Die passende Grundarchitektur

Wenn von Teamarbeit im arbeitspsychologischen Sinne gesprochen werden kann, bedarf es dem Element der sogenannten „Kernaufgabe“, d.h. es gibt Kommunikations- und Abstimmungsanforderungen, die sich aus der eigentlichen Aufgabe heraus ergeben. Somit wäre eine einfache Aneinanderreihung von Einzelaufgaben, wie man es bei Fließbandfertigungen teilweise unter dem Begriff „Arbeitsteam“ findet, keine Arbeitsgruppe.

Die wirksamste Form der Teamentwicklung ist zu Beginn also, das Konzipieren einer Kernaufgabe. In Teamentwicklungen versinnbildliche ich dies gerne mit dem Tragen eines schweren Tisches. Wenn alle mit anfassen kann der Tisch gemeinsam gehoben und verschoben werden. Dies setzt Koordination und gemeinsame Abstimmung voraus. Dies kann beispielweise das gemeinsame Abstimmen über Zeiten und Urlaube sein. Im Klartext heißt das, ohne Kernaufgabe sind nicht alle positiven Effekte der Teamarbeit zu erwarten.

Teams wirksam fördern

Spielräume und Erwartungen definieren: Sie kennen das vermutlich auch, es gibt eine Aufgabe und alle legen los. Ohne genau zu klären, was genau wird erwartet und was eben auch nicht. Da können wir noch so viele Projektmanagement-Tools nutzen, zwei Fragen stehen zu Beginn: Was genau wird von dem Team erwartet? Was darf das Team? Wann muss es sich abstimmen?

Kompetenzen klären: Teams sind vor allem dann sehr wirksam, wenn sich Kompetenzen ergänzen und nicht doppeln. Daher ist ein Austausch darüber, wer welche Fähigkeiten hat, extrem nützlich. Diese Fragen kann jeder aus dem Team stellen: Was kannst Du besonders gut mit Blick auf unsere gemeinsame Aufgabe? Was liegt Dir? Welche Erfahrungen kannst Du gut einbringen? Mit welchen Aufgaben können wir Dich auch jagen?

Knappe Zeiten für Ergebnismeetings:

Der größte Effizienzvernichter sind zu lange und zu unstrukturierte Meetings. Der Grund ist häufig, dass Meetings als Bühne für Eitelkeiten zugelassen werden. Begrenzen Sie die Zeiten für Meetings radikal. Lieber 12-minütige „Dailys“ als 2-stündige „Borings“.

Zeiten für informelle Begegnungen schaffen:

Zeit für Kontakt ist das wertvollste Invest im Team. Wir müssen uns kennen, einschätzen können, ja, gut riechen können, um gemeinsam etwas zu bewegen. Das geht nicht verordnet bei Teamevents, sondern kann im Kleinen im Alltag einen Platz haben. Das gemeinsame Mittagessen oder, wie mir letztens ein virtuelles Team berichtete, die sich einmal am Tag für einen virtuellen Kaffee miteinander verabreden. Immer um 11 Uhr wer Lust hat mit einem Pott Kaffee vor der Kamera. Klingt auf den ersten Blick vielleicht komisch, wirkt aber Wunder.

Rollen klären:

Teams brauchen Rollen. Unterstützen Sie Rollenbildung und Klärung. Kernrollen im Team sind: Entscheider, Kreativer, Strukturierer, Qualitätssicherer und Außenminister. Ich rege bewusst die Rolle des „Advocatus Diaboli“ an, der kritisch Dinge hinterfragt und damit die Güte der Leistung steigert. Aber Achtung, die Rolle muss wechseln, sonst wird derjenige schnell zum schwarzen Schaf.

Konflikte einplanen:

Konflikte sind das Salz in der Suppe der Teamarbeit. Kein Team ohne Konflikte. Auseinandersetzungen gehören dazu. Um so wichtiger ist die Zeit für Zusammensetzungen. Und zwar rechtzeitig und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Das beste Mittel heißt direktes Feedback. Was ich besonders an Dir schätze? Was mich manchmal auf die Palme bringt? Was ich mir anders von Dir wünsche?

Introvertierte abholen:

Die meisten Teamformen präferieren die Extravertierten. Das sehr gut belegte Persönlichkeitskonstrukt der Extraversion und Introversion zeigt unterschiedliche Formen der Energiegewinnung und des -verlusts auf. Der Extravertierte gewinnt Energie im Kontakt mit anderen. Ihn strengt also ein Teammeeting wenig an. Er wird i.d.R. auf eine offene Frage im Team schnell antworten. Er beteiligt sich und andere inspirieren ihn. Ein Großraumbüro ist ein willkommener Ort für Kommunikation. Ganz das Gegenteil ist der Introvertierte. Er gewinnt Energie im Alleinsein und verliert seine Kraft in der Gruppe.

Die richtige Größe beachten:

Nach dem aktuellen Stand der Forschung liegt die ideale Teamgröße bei 7-9 Personen. Danach bilden sich zu viele Subgruppen und die Effizienz leidet. Also, lieber klein und fein als fett und aufgeblasen. Gilt auch für Besprechungen. Ich provoziere gerne mit der Frage: „Wer von Ihnen ist in diesem Meeting heute tatsächlich sinnvoll und wer ist nur aus politischen Gründen hier?“ Sicherlich, kaum einer geht dann, aber beim nächsten Termin sind viele Gruppen deutlich kleiner und die anderen Arbeiten effizient alleine.

Virtuelle Teams brauchen Begegnung:

Immer mehr Teams organisieren sich virtuell. Wenn dann noch verschiedene Zeitzonen und Kulturen dazu kommen erhöht sich der Grad an Dynamik. Diese ist ein idealer Nährboden für Diversität und Kreativität. Aber eben auch für Irritationen, Missverständnisse und Konflikte. Der Kitt heißt auch virtuell: Kontakt und Kommunikation. Das kann das bereits erwähnte informelle Meeting sein, in dem sich alle sehen und etwas plaudern. Das kann auch das Onboarding in einem gemeinsamen Workshop sein, in dem alle auch mal herausfinden, wie gut sie den anderen riechen können. Wir wissen, dass unser olfaktorisches Organ auch eine Entscheidungsrolle hat. Dieses Invest lohnt sich bei Projekten ab ½ Jahr immer.

Fazit

Teamarbeit ist kein Allheilmittel. Wenn Teamarbeit gepflegt wird, können hierdurch gemeinsam ausgezeichnete Leistungen erbracht werden. Ideal kann die Kombination aus Einzelarbeit und Teamaufgaben sein. Herr Müller, ich möchte Sie bitten diese Aufgabe konzentriert und alleine abzuarbeiten. Wenn es Rückfragen gibt, fragen Sie ihre Kollegen. Ansonsten bitte ich Sie, nächsten Dienstag ihre Ergebnisse dem Team zur Verfügung zu stellen. Wenn es eben kein Tisch ist...

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