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Akademie Magazin

Mentale Stärke: Lebens- und Führungs­kompetenz

Gedacht von Dr. Stephan Rietmann

Wir können zwei miteinander verbundene Arten von Kooperationsproblemen unterscheiden, die sowohl für Führung als auch im Coaching von Bedeutung sind. Bei äußeren Kooperationsverlusten geht es um Probleme und Konflikte mit Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden. Innere Kooperationsprobleme treten auf, wenn jemand unzureichend mit sich selbst kooperiert und die Resilienz einer Person betroffen ist. Genau an dieser Stelle kommt Mentale Stärke ins Spiel – die Psychologie nennt dies auch Selbststeuerung – und beschreibt damit die innere Kooperationsfähigkeit einer Person mit sich selbst. Beispiele sind, dass man erreicht, was man sich vornimmt, dass man seine begrenzten Ressourcen schonend behandelt, dass man eigene Potentiale entwickelt und auch schwierige Emotionen regulieren kann.

Aus organisationspsychologischer Expertise ist bekannt, dass die innere und äußere Kooperation in Unternehmen ganzheitlich und gleichermaßen gefördert werden sollten. Was kann die Organisation oder das Unternehmen dazu beitragen, dass Menschen im Leistungskontext langfristig gesund und kraftvoll bleiben? Bedeutsam ist darüber hinaus die Frage, wie jemand selbstverantwortlich zur inneren Stabilität beitragen kann. In diesem Denkbrief fokussieren wir den Teil mentaler Stärke, der durch Selbstführung beeinflussbar ist.

Wege zu mentaler Stabilität

Nicht erst in Zeiten der VUCA-Welt braucht es mentale Stabilität. Bereits der Philosoph Michel de Montaigne verfolgte im 16. Jahrhundert die Idee innerer Meisterschaft. Man kann auf verschiedenen Wegen Einfluss auf seine mentale Stabilität nehmen. In der Psychologie sind diese von uns zu acht Kompetenzen zusammengefassten Wege als besonders wirksam bekannt:

  • Selbstwahrnehmung. Unser Denken und Verhalten sind in hohem Maße verkörpert. Probieren Sie es selbst: Beißen Sie ihren Kiefer einmal kräftig aufeinander und versuchen Sie dabei, ein freundliches Gefühl zu empfinden. Lassen Sie ihren Kiefer dann einmal locker hängen und versuchen Sie, dabei einen intelligenten Gedanken zu denken. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Körperliche Zustände, Gefühle und Gedanken hängen sehr eng zusammen. Wer seine eigenen somatischen Marker, d.h. körperlichen Signale und Bedürfnisse gut erkennt und diese bei anderen zuverlässig lesen kann, ist klar im Vorteil.
  • Zielorientierung. Jeder kennt SMART-Ziele. Weitgehend unbekannt ist jedoch, dass Erfolg von Zielbindung ebenso abhängt, wie von Zielablösung. Zielbindung geht einher mit positiven Gefühlen, Zielablösung in der Regel mit negativen Gefühlen. Wer Ziele mit hohem Belohnungswert hartnäckig verfolgt und sich von unerreichbaren, blockierten oder eskalierten Zielen lösen kann, ist üblicherweise erfolgreich. Was viele Managementbücher verschweigen: Ziele aufzugeben, kann ein Weg zum Erfolg sein. Welche Ihrer Ziele sind nur unter Aufbietung unverhältnismäßig hohen Energieeinsatzes erreichbar? Von welchen gar nicht mehr erreichbaren Zielen möchten Sie sich in 2020 trennen?
  • Willenskraft. Willenskraft ist eine erschöpfliche Ressource, vergleichbar mit einem Muskel. Alles, was Du nicht schaffst, schafft Dich, heißt es daher zurecht im Zeitmanagement. Kluge Zielsetzung und Planung sollten die begrenzte Handlungs- und Umsetzungskraft immer im Blick haben und Leistungsfähigkeit durch BRAC (Basic Rest Activity Cycle) fördern. Spitzenleister sind Weltmeister der Regeneration. Regelmäßige Kurzpausen nach 70 bis 90 Minuten Aktivität, unterstützen Spitzenleistung. Willenskraft ist überdies mit einer Reihe an Mentaltechniken aus dem Spitzensport trainierbar – wie ein Muskel.
  • Affektregulierung. Vernunft und Emotion sind eng verbunden und üblicherweise hat die Emotion Vorrang. So übt, insbesondere unter Bedingungen von Stress, das limbische System Kontrolle über den präfrontalen Cortex aus, den Ort, von dem bewusste Gehirnleistungen wie Planungs- und Organisationsfähigkeit, Willenskraft und unser Selbstbild gesteuert werden. Die Fähigkeit, Aktivation situationsangemessen herauf und herab zu regulieren, diese selbst zu kontrollieren, bestimmt wesentlich über innere Zustände und Erfolge in sozialen Situationen. In der Verhandlungskunst, die in Führungssituationen stets bedeutsam ist, heißt es deshalb zurecht: wenn Du mit einer schwierigen Person zu tun hast, steuere Dein eigenes Verhalten, statt das der anderen Person.
  • Selbstverstärkung und inneres Selbstgespräch. Von Spitzensportlern auf Weltklasseniveau ist bekannt, dass sie innere Selbstgespräche in höchst funktionaler Weise steuern können. Auch ohne es bewusst zu bemerken, begleiten innere Selbstgespräche uns auf Schritt und Tritt. Dysfunktionale innere Dialoge verschärfen Stress und führen zu Energieverlusten. Funktionale innere Dialoge fördern Leistungsfähigkeit, Erfolgsorientierung und Zufriedenheit.
  • Selbstintegration. Eine der stärksten Quellen von Motivation ist das Gefühl, Sinnvolles zu tun. Je mehr eine Person so ist, wie sie selbst sein möchte und das tut, was sie wirklich tun will, umso integrierter und charismatischer ist sie. Wenn etwas vollkommen oder sehr weitgehend zu uns passt und dementsprechend selbstkompatibel ist, fühlen wir uns selbstbestimmt und als Autor des eigenen Lebens. Selbstkompatibilität in den eigenen Arbeits- und Lebensbezügen begünstigt Sinnerfahrung und Motivation. Unterwegs zum Ziel wird der Weg dabei zur eigentlichen Belohnung.
  • Selbstentwicklung und Selbsttranszendenz. Hier geht es darum, wie offen, neugierig und reflektierend eine Person für eigenes Denken, Verhalten und Erleben ist. Selbsterforschung und Selbsterkenntnis sind wertvolle Quellen der Selbstführung und Selbstverantwortung. Zugang zu diesen Quellen erhält, wer den doing-mode verlässt und sich in den being-mode begibt. Der being-mode ist unter anderem geprägt von Gegenwartszentrierung, direkter Erfahrung, einer panoramischen Sicht und einer unpersönlichen Dritte-Person-Perspektive.
  • Selbstmitgefühl. Wir können uns anstrengen und unser Bestes geben. Menschen erfahren im Arbeitsleben dennoch wiederkehrend Grenzen des Machbaren und Widerfahrnisse. In diesem Bereich der inneren Kooperation geht es darum, kluge Selbstfürsorge zu betreiben, mit Unwohlsein umzugehen und in einer Haltung von Achtsamkeit und Dankbarkeit zu leben. Statt harter Selbstverurteilungen, scharfer Selbstkritik und unerreichbarer Standards übt jemand Ausgeglichenheit, Selbstmitgefühl und emotionales Wohlbefinden.

Zusammenfassung

Während die äußere Dynamik der VUCA-Arbeitswelt von uns nur eingeschränkt beeinflussbar ist, sind für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit unser Umgang damit entscheidend. Schon in der Antike wusste Epiktet: „Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen und die Beurteilungen über die Dinge.“ Um Ihre Fähigkeiten, vorhandene Chancen und Potentiale besser auszuschöpfen, können Sie durch positive Selbstbeeinflussung eigene Ressourcen aktivieren und ihre Selbstwirksamkeit als Führungskraft und als Coach spürbar stärken.

Ich wünsche Ihnen jetzt und bei zukünftigen Herausforderungen all die Kraft, die es braucht, den Zusammen-halt, den wir brauchen und die Menschlichkeit, die in uns allen ist.

Ihr Dr. Stephan Rietmann
Seniorcoach

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