Mehr zu Coaching und Organisationsentwicklung

Akademie Magazin

Coaching­kompetenzen in der Führungs­arbeit

Gedacht von Andreas Steinhübel

Zur Beantwortung der Frage, ob eine Führungskraft Coach seiner MitarbeiterInnen sein kann, ist es zunächst notwendig, zu definieren, was unter Führung zu verstehen ist und was die Bedingungen für Coaching sind.

Grundwerte im Coaching Grundlagen der Führung
Freiwilligkeit der Maßnahme Coachingangebot durch Vorgesetzten kann faktisch kaum abgelehnt werden
Vertrauen in den Coach Vertrauen kann gegeben sein
Gegenseitige Akzeptanz Gegenseitige Akzeptanz ist wünschenswert
Eigenes Anliegen einbringen Unternehmensziele als Rahmen
Neutralität des Coaches Ziele des Bereiches erreichen
Diskretion über die Inhalte des Coachings Personalführung als Aufgabe setzt Transparenz voraus
„Gleiche Augenhöhe“ - Gleichwertige Beziehungsebene Hierarchische Beziehung
Wille zur Veränderung Wunsch nach Weiterentwicklung kann gefördert werden
Leistungsorientierung als Fokus Leistungsorientierung als Aufgabe


Zwischen Coaching und Führung gibt es zahlreiche Übereinstimmungen sowie deutliche Unterschiede.

Daher ist Coaching nicht Führung und Führung nicht Coaching.

Die sinnvolle Frage ist aus unserer Sicht vielmehr, wie sich Coachingkompetenzen sinnvoll und gewinnbringend in den Führungsalltag integrieren lassen.

Einige Führungsdefinitionen zum Weiterdenken:

„Führung kann verstanden werden als die zielorientierte Beeinflussung von Mitarbeitern.“ (Dorsch, 1994)

„Führen meint in Bewegung setzen, fahren, machen, die Richtung bestimmen, leiten auch hüten“ (C.P. Seibt in Brand Eins, 2003).

Wirksame Führung folgt nach Malik (2001) folgenden Grundsätzen:

  • Handle ergebnisorientiert
  • Leiste einen Beitrag zum Ganzen
  • Konzentriere dich auf Weniges, dafür Wesent-liches
  • Nutze vorhandene Stärken der Mitarbeiter, statt an Schwächen und Defiziten zu arbeiten
  • Schaffe eine Vertrauensbasis
  • Denke positiv

Wenn wir uns vergegenwärtigen, was die Kernaufgabe von Coaching ist, nämlich die Ermöglichung von Selbstorganisation und die Erweiterung bereits vorhandener Problemlösekompetenzen, so findet sich eine Parallele zur Aufgabe einer modernen Führungskraft. Aktuelle Führungskonzepte haben die Gemeinsamkeit, die Kompetenzen der Mitarbeiter weiterzuentwickeln und ihnen einen Rahmen für eigenständiges Handeln und Denken zu bieten. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Führung auch Kontrolle, Beurteilung und Entscheiden bedeutet.

Aus unserer Sicht ist deshalb zentral, sich die eigene Rolle als Führungskraft zu verdeutlichen und bereit zu sein, sich diesen Anforderungen zu stellen. Auf der Basis dieser reflektierten Grundlage können Coachingkompetenzen ausgebaut und situativ im Führungsalltag eingesetzt werden. Ähnlich wie im Coaching postulieren wir hier „Haltung vor Methode“. Passende Methoden sind das Handwerkszeug, das es gilt souverän einzusetzen. Doch bekanntlich können gute Messer für mehrere Anwendungsfelder ge- oder auch missbraucht werden. Coachingtools, die in der Führungsarbeit ihre Berechtigung haben, sind transparent für die MitarbeiterInnen und reduzieren nicht deren Steuerungsfähigkeit.

Beispielhaft stehen hierfür...

  • ...das Arbeiten mit „Tilgungen“;
  • ...die Verdeutlichung mittels des „Systemmodells“;
  • ...der Einsatz von „Pacing und Leading“;
  • ...die Spiegelung mittels „Feedback“;
  • ...die Ressourcenaktivierung durch lösungsorientierte Frageformen.

Was ist Coaching?

Wenn wir uns mit den definitorischen Bemühungen des Begriffes Coaching beschäftigen, begegnet uns immer wieder der Begriff des „Dschungels“. Dies geht einher mit Unübersichtlichkeit und Undurchsichtigkeit. Coaching ist „in“, Coaching ist „schick“. Daher finden wir am Coachingmarkt nahezu alle nur denkbaren Bedeutungen des Coachingsbegriffes. Vom Food-Coach, der Ernährungsberatung, über Memory-Coaching, dem Gedächtnistraining bis hin zum Sado-Maso-Coaching scheint die Kreativität grenzenlos. Nach Offermanns (2004) hat sich die Anzahl der Internetadressen mit dem Begriff „Coaching“ in einem Zeitraum von vier Jahren um das tausendfache erhöht. Vogelauer (2000) kritisiert diese inflationäre Entwicklung: Er spricht von einem schillernden bis chaotischen Begriffsdschungel. Aus der Perspektive der Klienten kommt eine weitere Facette der Dschungelanalogie hinzu, die der Gefahr. Coaching hat für viele etwas Mystisches. Schauen wir uns den Begriff „Coaching“ in seiner Ursprungsbedeutung an, bezeichnet „Coach“ im Englischen die Kutsche und der „Coachman“ den Kutscher. Bleiben wir in diesem Bild. Nachfolgend einige freie Assoziationen von Teilnehmern der Intergrativen Coaching-Ausbildung nach Rauen & Steinhübel zum Terminus Coach als Kutscher:

  • Der Kutscher kennt den Weg
  • Wer sitzt auf dem Kutschbock, der Klient oder der Coach?
  • Wer ist das Pferd?
  • Verantwortung für die Tiere und die Reise
  • Gute Reise
  • Bremser
  • Antreiber/Peitsche
  • Es gibt keinen Rückwärtsgang, der Blick geht nach vorne
  • Sicherer Transport von A nach B

Der Zusatz „Systemisch“ macht Coaching für viele Klienten nicht leichter verständlich. Beispielhaft ein Klientenzitat: „Das finde ich klasse, dass Sie nicht einfach nur so rumcoachen, sondern dieses systematische Coaching anwenden.“ Klienten wollen Ordnung, Struktur und Klarheit. Oftmals konfrontieren wir als systemisch denkende Coaches genau mit dem Gegenteil, nämlich Chaos, Offenheit und Unklarheit. So konnten wir dann auch in Manager Seminare, Heft 72, 2004 lesen „Wenn wir beginnen, steht es erst einmal 1:0 gegen uns.

Mit diesen Worten beschreibt Dr. Ruth Selinger die Ausgangssituation eines jeden systemischen Beraters.

Arbeitshinweis: Coaching wird in verschiedenen Unternehmenskulturen in völlig unterschiedlicher Bedeutung verwendet. Daher ist es sinnvoll, die Wirklichkeitskonstruktion des Begriffes „Coaching“ zu Beginn des Klientenkontaktes zu ergründen. Daran ankoppelnd kann der Coach dann sein Bild von der Beratungsleistung anbieten. Eine ausführliche theoretische Definition hilft selten zur Klärung einer möglichen Arbeitsbasis.

Wozu Coaching?

Coaching ist die Antwort auf ein strukturelles Problem des Managements. Dieses Problem heißt Einsamkeit. Führungskräfte haben kaum die Chance, ein ehrliches, offenes oder gar neutrales Feedback zu bekommen. Ihnen fehlt der Gedankenaustausch, über berufliche oder persönliche Fragestellungen. Spätestens ab dem mittleren Management bekommen Führungskräfte allenfalls politische Rückmeldungen. Ihre Mitarbeiter stehen in einem hierarchischen Verhältnis und überlegen sich deshalb sehr gut, was sie dem Vorgesetzten gegenüber äußern. Zudem schwächt die Führungskraft ihre Position, wenn sie von persönlichen Problemen berichtet. Offener Umgang mit Problemen wird immer noch als Schwäche ausgelegt. Da hilft auch die verbreitete Diskussion um soziale Kompetenzen nur bedingt weiter.

Kollegen auf derselben Managementebene sind Konkurrenten um eine bessere Position, das Budget oder das Ansehen. Hier werden Seilschaften gebildet. Wir sprechen an dieser Stelle von „Networking“. Aber auch von diesen Netzwerken kann die Führungskraft keine Unterstützung bei persönlichen Anliegen erwarten.

Der direkte Vorgesetze ist in einem Dilemma: Selbst, wenn er mit Rat und Tat zur Seite stehen könnte und wollte, muss er mit Zielen führen und seinen Mitarbeiter beurteilen und monetär bewerten.

Bleiben noch Freude oder Lebenspartner. Oftmals fehlt ihnen der Einblick in die Welt der Führung. Zudem sind Freunde zum Glück parteiisch. Sie wollen uns als Freund behalten, nicht verletzten, solidarisieren sich mit uns. Sie sind aber keinesfalls neutral.

An dieser Stelle kommt Coaching als Lösungsoption ins Spiel. Ein Coach ist weder Feind noch Freund. Er ist Coach. Idealerweise erfüllt er die Bedingungen: Neutralität, ausreichende Feldkompetenz (Wir sprechen hier auch von der Fähigkeit, in der Welt des Klienten spazieren gehen zu können), Kenntnisse über organisationale Zusammenhänge und Führung sowie das methodische Know-how für eine professionelle Beratungsarbeit.

Arbeitshinweis: Um als Coach erfolgreich arbeiten zu können, ist es hilfreich, sich der strukturellen Einbettung dieser speziellen Form der Beratungsleistung bewusst zu sein. Es ist nicht unbedingt notwendig, als Coach schon mal in den Klientenstrukturen gearbeitet zu haben. Vielmehr sind ein echtes wertschätzendes Verständnis und ein empathisches Mitgehen für eine konstruktive Coachingarbeit förderlich. Klärungsfragen:

  • Wie kann ich in der Welt meiner Klienten spazieren gehen, ohne mich zu verirren?
  • Wie gelingt mir der Aufbau einer tragfähigen Beratungsbeziehung, ohne den Versuchungen von zu viel Nähe zu erliegen? (Klienten im Management sind Meister in der Herstellung von scheinbarer Nähe)

In welchem Kontext findet Coaching statt?

Coaching findet in einem Leistungskontext statt. Es geht um höher, schneller, weiter. Themen sind Effizienz, Effektivität, Strategie, Einfluss und Macht. Zumindest, wenn wir uns mit den Oberflächenthemen zufrieden geben. Dies hat deutliche Implikationen für die systemische Coachingarbeit. Als Oberflächenthemen lassen sich die Anliegen bezeichnen, mit denen Klienten typischerweise ins Coaching kommen. Häufig schildern sie hiermit eher das Symptom und weniger den eigentlichen Kern ihrer Problemkonstellation. Folgen wir der konstruktivistischen Annahme der Subjektivität von Wirklichkeitskonstruktionen, dann sind Klienten natürlich von dieser Wirklichkeitskonstruktion ihrer Problemsicht höchstgradig überzeugt. Immer wieder begegnen wir im Coaching den Oberflächenanliegen:

„Ich habe da ein Problem mit meinen Mitarbeitern; die wollen nicht so wie ich will.“

„Ich habe zu wenig Zeit für all die wichtigen Dinge, die selbstverständlich nur von mir persönlich erledigt werden können.“

„Ich brauche strategische Unterstützung, mit dem Wunsch nach fundiertem, Expertenrat.“

Zu Beginn eines Coachingprozesses ist es wesentlich, diese Anliegen ernst zu nehmen und gleichzeitig auf der Hut von Blendungen der glatten Oberfläche zu sein.

Ein Coach wird selten aus präventiven Überlegungen heraus engagiert. Am Anfang der meisten Coachingprozesse steht ein Klient, der alleine nicht weiterkommt. Aus seiner Sicht hat er ein Problem und der Coach soll es lösen.

Ähnlich wie andere Dienstleister, ist die Erwartung an einen Coach im Management, „asap“ zu arbeiten. Das Problem soll gelöst werden und zwar as soon as possible. Hier gilt es, ein Stück in die Welt des Klienten einzusteigen, und „Quick hits“, also schnelle, sichtbare Erfolge, zu ermöglichen, ohne ins Klientensystem zu fallen. Dies ist eine der Hauptanforderungen an einen professionellen systemischen Coach. Die Professionalität aus Klientensicht wird an der Wirksamkeit der Maßnahme festgemacht. Dies bringt uns erneut zum Leistungskontext. So definieren etliche Unternehmen Coaching denn auch als „professionelle berufsbezogene Managementberatung zur Förderung von Spitzenleistungen.“

Arbeitshinweis: Der Leistungskontext im Coaching ist eine wesentliche Komponente zur Einordnung der Problemkonstellation. Oftmals „lauern“ in dem Dickicht der blitzenden Managementwelten auch die Lösungsansätze verborgen. Klärungsfragen:

  • Wie stehe ich selbst als Coach zu Themen wie Leistung, Macht, Strategie und Erfolg?
  • Wie anschlussfähig bin ich als Coach in der Managementwelt?
  • Wie kann ich einen Unterschied machen, der einen Unterschied macht?
  • Wie gelingt es mir, die Anliegen der Klienten ernst zu nehmen, schnelle, sichtbare Erfolge zu ermöglichen und mich gleichzeitig zusammen mit dem Klientensystem auf die
  • Suche nach möglicherweise tiefer liegenden Ursachen zu begeben?

Wieso systemisch?

Jahrzehntelang wurde im Management versucht, der Komplexität des Führungsalltags durch einfache Erklärungsmodelle gerecht zu werden. Die beliebtesten zwei „Klassiker“ sind das Eigenschaftsmodell und das Maschinenmodell. Zur besseren Einordnung sei hier kurz auf diese Ansätze eingegangen.

Das Eigenschaftsmodell geht im Kern davon aus, dass menschliches Handeln durch relativ stabile Eigenschaften geprägt wird. Ein Vertreter ist Pervin (1993), der die Trait-Psychologie mitgeprägt hat; nach diesem Ansatz existieren bestimmte Persönlichkeitswesenszüge (Traits), nach dem sich menschliches Verhalten erklären lässt. Nach diesem Modell wird beispielsweise das Verhalten eines unmotivierten Mitarbeiters nach dem Satz: „Der ist eben von Natur aus unmotiviert“ gedeutet. Bereits in den 60er Jahren hat Mischel (1968) nachweisen können, dass das Verhalten in unterschiedlichen Situationen nicht gleichbleibt, sondern sich vielmehr nach den situativen Anforderungen richtet.

Im Gegensatz zum Eigenschaftsmodell geht das Maschinenmodell davon aus, Menschen funktionieren wie Maschinen, sind dementsprechend steuer- und veränderbar, wenn die entsprechenden Verhaltensgesetze bekannt sind. Einer der bekanntesten Vertreter ist Skinner (1973), der behauptet, das Verhalten eines Organismus sei fast beliebig formbar. Grundlage dieses Denkmodells ist das Reiz-Reaktions-Schema, nach dem ein externer Reiz zu bestimmten Verhaltensweisen führt. Hiernach würde der oben erwähnte unmotivierte Mitarbeiter etwa durch die passende Mischung aus Lob als Anreiz und Kritik als aversivem Reiz steuerbar.

Klassischen Erklärungsmodellen ist eines gemeinsam: Sie sind linear-kausale-Modelle, d.h. sie gehen davon aus, Situationen lassen sich mit einem einzelnen Faktor erklären. In diesem monokausalen Ursache-Wirkungs-Denken sind insbesondere viele Führungskräfte verhaftet. So wird beispielsweise immer wieder versucht, Motivation durch ein anreizorientiertes Entlohnungssystem zu steigern. Dies führt gelegentlich zu kurzfristigen Erfolgen, greift langfristig jedoch zu kurz. Klassische Erklärungsmodelle werden der Komplexität des Managements- und Unternehmenskontextes nicht gerecht. Die Grundüberlegung des Systemischen Coachings basiert auf der Überzeugung, dass Menschen nicht in einem luftleeren Raum leben (vgl. König, Volmer, 2002). Klienten sind eingebunden in verschiedenartige Systeme: Das System Familie, das System Arbeitsgruppe oder das System Organisation. Systemisches Coaching richtet daher seinen Fokus nicht nur auf bestimmte Inhalte sondern blendet das soziale System des Klienten immer mit ein. Es unterstützt den Klienten dabei, sein Anliegen in sein soziales System einzuordnen, systemadaptive Lösungen zu entwickeln, die Auswirkungen von Veränderungen in den systemischen Zusammenhang einzubetten und nachhaltige Veränderungen aufrechtzuerhalten.

Am Anfang eines Coachingprozesses steht ein Klient mit seiner subjektiven Sichtweise auf sein komplexes Anliegen. Coachinganliegen sind aus der Wahrnehmung von Klienten immer komplex, denn mit überschaubaren Themen kommen sie nicht zu einem Coach. So blocken die Augenpaare oben rechts auch auf einen Ausschnitt dieser Komplexität. Wenn das Thema zu unübersichtlich ist, wird es schwerer beschreibbar und somit schwerer lösbar.

Klassische Unternehmensberatungen, die den Fokus auf Expertenberatung legen, haben ebenfalls eine eingeschränkte Sicht auf das Problem des Klienten. Sie neigen bedauerlicherweise immer wieder dazu, gute Ratschläge aus dieser Perspektive zu geben. Dies freilich in dem guten Glauben, ihre Sichtweise sei fundiert und führe somit logischerweise zur Lösung des Klientenproblems.

Systemisch arbeitende Coachs sind sich ihrer eigenen Eingeschränktheit und Subjektivität bewusst. Die Grundhaltung für erfolgreiches Coaching lautet: Der Klient hat grundsätzlich alle Ressourcen, die zur Lösung seines Problems notwendig sind. In der aktuellen Problemkonstellation fehlen ihm der Überblick und der Zugang zu seinen Problemlösekompetenzen auf diese spezifische Situation. Ein systemischer Coach behauptet von sich: „Ich weiß es nicht besser, sondern anders. Ich nehme nicht präzise wahr, sondern habe eine andere Sicht auf die Dinge.“ Auf den Coachingprozess lässt sich der elementare Imperativ „Handle stets so, dass du die Anzahl der Möglichkeiten vergrößerst!“ den v. Foerster (1988) aufstellte, uneingeschränkt übertragen. Es geht im Coaching um die Erweiterung von Handlungsoptionen des Klienten.

Arbeitshinweis: Die überwiegende Zahl von Klienten im Coaching ist in klassischen Erklärungsmustern groß geworden. Viele Führungsseminare und –modelle basieren immer noch auf diese Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Klienten versuchen folgerichtig, ihr Anliegen im Sinne einfacher Lösungsansätze anzugehen. Vom Coach werden insbesondere in den ersten Terminen oftmals schnelle einfache Lösungsvorschläge erwartet. Klärungsfragen:

  • Wie schaffe ich es, Klienten auf die Reise zum systemischen Denkmodell mitzunehmen ohne ihnen ihre Sicherheit gebenden Denkmodelle abzuwerten?
  • Wie hacke ich das Holz klein? Oder besser: Wie unterstütze ich, dass der Klient sein Holz klein hackt?
  • Wie erweitere ich den Wahrnehmungsrahmen des Klientensystems?
  • Wie kann ich meine Sichtweisen und Erfahrungen als Angebote, die angenommen oder abgelehnt werden können, abgeben?

Aus systemischer Perspektive lassen sich folgende Funktionen des Coachings ableiten (vgl. Offermanns, 2004).

Welche Funktionen hat systemisches Coaching?

Im Folgenden werden zentrale Funktionsweisen des systemischen Coachingprozesses beschrieben. Dies erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll einen Einblick in die unterschiedlichen Facetten dieses Beratungsprozesses geben.

Raum zur aktiven Beschäftigung mit dem Thema

Im beruflichen Alltagsstress nehmen sich Klienten häufig kaum konzentrierte Zeit zur Auseinandersetzung mit ihrem Thema. Coaching kann daher umschrieben werden als: Zusammensetzen, um sich mit seinem Anliegen auseinander zu setzen. Im Coaching finden regelmäßige Sitzungen mit dem Coach statt, in denen dies möglich ist. Diskretion und eine vertrauensvolle Atmosphäre fördern die Offenheit des Klienten, sich mit seinem Thema zu beschäftigen. Eine zentrale Funktion besteht darin, dem Klienten den Raum und die Zeit zur aktiven Beschäftigung ohne Ablenkung mit seinen Themen zu geben. Dies bedeutet auf der operativen Ebene beispielsweise, dass es Aufgabe des Coaches ist, Störungen zu vermeiden. Insbesondere das Telefon gilt es hier auszuschalten. Dies kann für viele Manager schon die erste beiläufige Intervention sein, da sie oftmals große Schwierigkeiten haben, nicht immer erreichbar zu sein. Denn sie sind so wichtig, dass störungsfreie Zeit kaum möglich ist.

Sicherer Beziehungsrahmen zum experimentellen Ausprobieren

Damit sich Klienten auf das aktive und teilweise schmerzliche Auseinandersetzen mit sich selbst und ihrem Thema einlassen können, ist eine tragfähige Beziehung zwischen Coach und Klient die conditio sine qua non. Diese Beziehung lässt sich am treffendsten mit „konstruktives Arbeitsbündnis auf Zeit“ umschreiben. Der Coach kommt dem Klienten nahe, ohne ins Klientsystem zu fallen. Dies setzt das situative Diagnostizieren und Steuern von Nähe und Distanz voraus. Der Klient muss sicher sein, dass das Arbeitsbündnis auch in schwierigen Coachingphasen trägt, ohne dass der Coach diese Beziehung ausnutzt.

Sicherheit ist die Basis damit sich Klienten in die Unsicherheit des Experimentierens und Ausprobierens trauen; der so wichtige Weg zu neuen Erkenntnissen.

Förderung der Selbstreflexion

Selbstreflexion ist das Auseinandersetzen mit den für einen selbst wichtigen eigenen subjektiven Deutungen (z.B. Gedanken, Ziele, Motive), den damit verbundenen Gefühlen sowie den daraus resultierenden Handlungen und deren Konsequenzen unter Berücksichtigung des Verhaltens anderer Personen sowie der bestehenden Strukturen im System (Regeln, Aufgaben, Rahmenbedingungen)“ (Offermanns, 2004). Die Klienten werden im Coaching darin unterstützt, neue Sichtweisen bezogen auf ihr Thema zu entwickeln und daraus effektive Handlungsmöglichkeiten für die Praxis zu erarbeiten. Dieser Entwicklungsschritt setzt Selbstreflexion voraus.

Durch die Selbstreflexion werden neue Zusammenhänge, mögliche eigene Anteile am Problem oder auch andere Erklärungsmuster deutlich. Durch die veränderte Sicht auf das Problem werden neue Handlungsspielräume wahrgenommen.

Anregungen als Angebote

Kritisch diskutiert wird der Anteil von Prozess- vs. Expertenberatung in der Coachingarbeit. Während König und Volmer (2002) eine Kombination aus Prozess- und Expertenberatung sehen, betont beispielsweise Radatz (2000) bereits im Titel „Beratung ohne Ratschlag“ sei Coaching. „Prozessberatung ist die Unterstützung des Klienten sich über seine Situation klarer zu werden und neue Lösungen zu finden. Expertenberatung bedeutet demgegenüber, dass der Coach als Experte Anregungen für die Problemlösung gibt.“ (König & Volmer, 2002, S. 12). Blenden wir an dieser Stelle die typische Klientenerwatung ans Coaching ein, so fordert diese in der überwiegenden Mehrheit keine reine Prozessberatung. Sie erwarten von einem Coach, dass er Ihnen fachlich fundierte Impulse für ihr Problem geben kann. Viele Klienten nehmen dies geradezu als „Testknochen“, indem sie überprüfen, ob der Coach sich überhaupt in ihrer Welt auskennt. Damit mit Expertenwissen im Coaching zum akzeptanzentscheidenden Kriterium. Viel wesentlicher als die Frage, ob Expertenrat im Coaching einen Platz haben darf, ist die Frage, mit welcher Haltung ich als Coach eine echte Weiterentwicklung und kurzfristige Problemlösung des Klienten ermöglichen will. Wenn ich von einer übergeordneten Machtposition einen „klugen Rat“ gebe, wird die Selbstorganisationskompetenz des Klienten unnötig geschwächt. Vielfach wird ein solcher Rat dann auch zum Schlag im Sinne des viel zitierten Ausspruches „Ratschläge sind auch Schläge“. Am Rande sei angemerkt, dass in der rauen Managementwelt vielfach das Zitat „Auch Schläge sind gute Ratschläge“ das wohl treffendere sein dürfte. Gelingt es dem Coach, seine Anregungen als Angebote und Inspirationen einzubringen, werden diese vom Klienten als hilfreich wahrgenommen. Letztendlich muss der Klient dann entscheiden, welche Lösungsansätze in sein System passen. Ein wichtiges Expertenwissen zu enthalten kann dann zynisch sein, wenn die Sichtweise des Coaches einen echten situativen Mehrwert beinhaltet, der ansonsten verloren ginge.

Ausgleich zwischen Selbstreflexion und Handeln

Reflexion ist kein Wert im Coaching an und für sich. Es dient vielmehr als Vorbereitung zu optimierten Handlungsstrategien, die es dann gilt, im Arbeitsalltag umzusetzen.

Folgen wir an dieser Stelle dem Konstrukt der Handlungs- und Lageorientierung (vgl. Kuhl 2001) unterscheidet dieses lage- und handlungsorientierte Personen. Aufgabe des Coaches ist es, lageorientierte Personen, die sehr viel reflektieren und vor lauter Komplexität das pragmatische Handeln aus dem Auge verlieren, ins Handeln zu bringen – sozusagen die Selbstreflexion zu stoppen und sie anzuleiten, konkrete Handlungsschritte zu erarbeiten. Bei Personen, die sehr spontan und handlungsorientiert sind, was insbesondere auch bei Managern zu beobachten ist (vgl. Greif & Kurtz 1999), ist es Aufgabe des Coaches, diese in ihrem Handlungsdrang zu stoppen und zur Selbstreflexion zu animieren. Funktion des Coachings ist es handlungs- und lageorientierte Phasen so auszugleichen, dass sie zu einem effektiven Problembewältigungsprozess führen oder anders ausgedrückt, den schnellen zu verlangsamen und den langsamen zu beschleunigen. Sowohl das Nach-denken als auch das Vor-denken haben einen Platz im Coaching.

Unterschiedliche Perspektiven einblenden

Oftmals sind Klienten auf der Managementebene mit Wahrnehmungsverzerrungen ausgestattet, die es ihnen erschweren, die Komplexität einer Situation wahrzunehmen und einzuordnen. Sie sind sich ihrer Sache sehr sicher. Externale Attribution (Schuld ist der Mitarbeiter) bringt Stabilität. Die Aufgabe des Coachings besteht nun darin, andere Perspektiven einzublenden und andere Erklärungsmuster zuzulassen.

Den Fokus verändern

Klienten sehen oftmals den Wald vor lauter Bäumen nicht, wenn sie ins Coaching kommen. Typischerweise generalisieren sie ihre Problemkonstellation und vergrößern das Problem damit. „Alle meine Mitarbeiter halten sich nicht an meine Anweisungen“, so beispielsweise ein Klient. Aufgabe des Coachs ist es an dieser Stelle, auf Generalisierungen (alle, immer) und Problemvergrößerer (unlösbar, das Schlimmste) zu achten. Diese sollten dann kritisch hinterfragt werden, um die Lösungshürde zu erniedrigen. Im Falle der anweisungsresistenten Mitarbeiter kann schon die kleine kritische Nachfrage: „Alle?“ dazu beitragen, den Mitarbeiter Müller in den Fokus zu rücken. Im Bild des Waldes gesprochen, ist es Aufgabe des Coachs, das Holz des Klientenanliegens klein zu hacken. Kleine Holzscheite lassen sich einfacher bewegen und genauer betrachten.

Erarbeitung von umsetzbaren Lösungsansätzen

Coaching kann als Gegenteil vom altvertrauten Psychologenwitz verstanden werden. „Fragt der Psychologe Schmidt den Kollegen Müller, sag mal, weißt du, wo es zum Bahnhof geht? Antwortet Müller: Keine Ahnung! Sagt Schmidt: Danke, gut dass wir drüber gesprochen haben. Nach zwei Jahren treffen sich die beiden Kollegen zufällig wieder. Erneut wird nach dem Weg zum Bahnhof gefragt. Schmidt: Ich weiß es immer noch nicht, aber ich kann jetzt viel besser damit umgehen.“

Jede Coachingsitzung hat als Rahmen ein Ziel und als Abschluss ein konkretes Ergebnis. Dies kann und sollte in vielen Fällen ein konkreter Maßnahmenplan sein. Dies können kleine Aktionen sein, die der Klient bis zum nächsten Termin ausprobiert oder das Vertiefen von angerissenen Ideen.

Umsetzungsverbindlichkeit

Viele Klienten gehen mit großer Umsetzungsenergie aus einer Coachingsitzung heraus. Der Arbeitsalltag erschwert oftmals die konsequente Umsetzung und das experimentelle Ausprobieren von neuen Lösungen. Daher hat es sich als sinnvoll herausgestellt, dass der Coach durch Hartnäckigkeit für Nachhaltigkeit sorgt. Konkret fragt er nach Lernerfolgen und auch danach, was die neuen Lösungsansätze erschwert hat. Spielerisch kann dies mit einer Vereinbarung eingerahmt werden. Coach zum Klienten: „Wenn Sie beim nächsten Termin Ihre Vorhaben erfolgreich ausprobiert haben, bekommen Sie eine kleine Überraschung von mir. Wenn Sie es nicht ausprobiert haben, dann freue ich mich über ein kleines Präsent von Ihnen.“ Diese Vereinbarung bringt das ernste Thema Umsetzungstreue für einige Klienten in einen annehmbaren Rahmen. Wichtig bei der Thema Umsetzungsverbindlichkeit ist erneut die Frage, womit stärke ich die Selbstverantwortung des Klienten und womit schwäche ich diese? Dies geht einher mit dem Abwägen des Auftrages von Erfolgserlebnissen.

Welche Implikationen ergeben sich für die Coachingarbeit?

Systemisches Coaching richtet die Aufmerksamkeit auf das jeweilige soziale System.

Systemisches Coaching bedeutet, einzelne Themen nicht allein auf einer Inhaltsebene zu betrachten, sondern im Kontext des jeweiligen sozialen Systems zu sehen. Die Analyse des Systems und unterschiedlicher Faktoren ist für das systemische Coaching sehr bedeutsam. Damit wird die Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte Faktoren gelenkt:

  • Welche Personen sind innerhalb des jeweiligen sozialen Systems relevant?
  • Was sind ihre subjektiven Deutungen, die ihr Handeln beeinflussen?
  • Welche sozialen Regeln bestehen?
  • Gibt es immer wiederkehrende Verhaltensmuster (Regelkreise, Interaktionsstrukturen), die zu Problemen führen?
  • Wie wird das System von der materiellen Systemumwelt beeinflusst? Wie ist die Abgrenzung gegenüber anderen sozialen Systemen?
  • Wie ist die bisherige Entwicklung verlaufen?

Gleichzeitig ergeben sich aus diesem Modell Ansatzpunkte für mögliche Maßnahmen:

  • Lassen sich Personen des Systems verändern?
  • Lassen sich subjektive Deutungen verändern?
  • Lassen sich soziale Regeln verändern?
  • Lassen sich bestimmte Verhaltensmuster abändern?
  • Lässt sich die materielle Systemumwelt verändern oder die Grenze zu anderen sozialen Systemen?
  • Lassen sich Entwicklungsrichtung und Entwicklungsgeschwindigkeit verändern – entweder, indem möglichst schnell bestimmte Veränderungen durchgeführt werden oder indem zunächst einmal Zeit gelassen wird?

Die Entscheidung über die Brauchbarkeit einer Lösung ist nicht von außen, sondern immer nur aus Sicht des sozialen Systems zu treffen.

Soziale Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass über die Wirkungen von Interventionen „durch das soziale System selbst“ entschieden wird. Ob z.B. die Intervention von Herrn X, die Sitzungszeit zu reduzieren, zum Erfolg führt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Mitarbeiter dieses Vorgehen einschätzen und wie er selbst das beurteilt. Coaching kann nie reine Expertenberatung sein, da die Angemessenheit dieser Lösungen für das soziale System nicht aus Sicht eines Experten von außen beurteilt werden kann. An die Expertenberatung muss sich somit immer Prozessberatung mit dem Klienten anschließen: Diese Prozessberatung gibt dem Klienten die Möglichkeit, vor dem Hintergrund seines Wissens über das System über die Angemessenheit der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten, für eben dieses soziale System nachzudenken. Nur der Klient verfügt über diese Systemkenntnisse und kann einschätzen, ob ein bestimmtes Vorgehen erfolgreich sein wird oder nicht.

Die Kompetenz des sozialen Systems übersteigt grundsätzlich die Kompetenz des Einzelnen.

Auch dieser Grundsatz richtet sich gegen einseitige Expertenberatung und führt zu einer deutlich stärkeren Einbeziehung des Wissens, das in einem sozialen System vorhanden ist. Dahinter steht die Erfahrung, dass die Angehörigen eines sozialen Systems bei Problemen in der Regel über das relevante Wissen verfügen, dass dieses Wissen aber nur in wenigen Fällen tatsächlich genutzt wird. Die Kompetenz des sozialen Systems zu nutzen bedeutet, sich nicht auf Expertenwissen eines Außenstehenden, aber auch nicht auf die subjektive Einschätzung z.B. von Herrn X alleine zu stützen, sondern zu versuchen, das Wissen anderer Personen (der Mitarbeiter, Kollegen, des Vorgesetzten) zu nutzen. Praktische Konsequenz daraus ist, dass im Rahmen von Coachingprozessen durchaus auch eigene Diagnosephasen, z.B. mit Hilfe von Interviews oder Workshops, in denen kreative Ideen gesammelt werden, ihren Platz haben.

Ein systemisches Coaching besteht aus dem klientenorientierten Wechsel von Stabilitäts- und Instabilitätsphasen (vgl. Runde, in: Kriz u. Schlippe, 2004).

Methoden wie das zirkuläre Fragen, Systemvisualisierung oder Zukunftsfragen sind in der Lage beim Klienten zeitweise Unsicherheit zu generieren, um somit neue Perspektiven zu erlangen. Zum anderen sind auch Ansätze notwendig, die den Klienten stabilisieren und eigene Ressourcen verdeutlichen. Hier eignen sich beispielhaft positives Systemfeedback, lösungsfokussiertes Brainstorming oder Stabilisierungsfragen („Was hat ihnen in einer ähnlichen Situation bereits geholfen?“). Der gekonnte Wechsel aus Ordnung und Chaos bewirkt Entwicklungskompetenz.

Welche Arbeitshinweise lassen sich ableiten?

  • Einbindung in die Konstruktion der Wirklichkeit des Klienten: Was ist seine Fragestellung? Was ist sein Konstruktsystem? Was ist seine Sprache?
  • Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven: Rückmeldung anderer Beteiligter; Rückmeldung des Coaches
  • Trainingsphasen oder Training on the job im Rahmen des Coachings möglich
  • Übersetzung der Lösungen in die Sprache des Klienten (Prozessberatung)
  • Dicht am Klienten bleiben; Vorsicht vor vorschneller Interpretation!
  • Impulse als Anregungen von einer anderen Perspektive – statt Ratschläge als Schläge.
  • Vertrauen in den Klienten, dass er die für sein System passenden Lösungen angeht.
  • Distanz und Nähe zum Klientensystem dosieren – nicht ins System fallen.
  • Förderung der Selbstregulationskompetenzen – statt ich bin dauerhafte Krücke.
  • Ich weiß (sehe, fühle, höre) es anders - statt ich weiß es besser.
  • Aufmerksamkeit stärker auf den Prozess (80%) und weniger auf die Inhalte (20%); der Klient findet seine Lösung.
  • Kombination aus Prozess- und Expertenberatung möglich.

Weiterentwicklung kann nur in einem sicheren Rahmen stattfinden; Coach sorgt für eine förderliche Umwelt; Beratungsvertrag fördert den sicheren Entwicklungsrahmen.

Welche Voraussetzungen braucht Coaching?

Obgleich Coaching in aller Munde ist und scheinbar die Lösung für viele Probleme sein soll, muss deutlich vor Lösungsgeneralisierungen gewarnt werden. Coaching ist kein Allheilmittel. Es braucht vielmehr etliche Grundbedingungen, damit Coaching überhaupt eine wirksame Beratungsform werden kann. Folgende Voraussetzungen können für einen Coachingprozess angelegt werden (vgl. Offermanns & Steinhübel, 2006). Wie bei einem schmackhaften Essen, kommt es auf die Zutaten an: Coach, Klient und Unternehmen.

Der Coach

Unabhängigkeit

Ein professioneller Coach sollte in mehrerer Hinsicht unabhängig sein. Zum einen sollte er nicht auf jeden Auftrag angewiesen sein. Ein guter Coach muss in der Lage sein, Auftragskonstellationen abzulehnen, die aus seiner Sicht nicht erfolgsversprechend sind. Unabhängigkeit betrifft ebenso die innere Haltung gegenüber dem Klientenanliegen. Hier ist wichtig, als Coach die Probleme ernst zu nehmen, ohne in die Coachingfalle „Das kenne ich auch, so ist es mir auch schon ergangen.“ zu tappen. Das Klientenproblem ist das Klientenproblem und nicht das Thema des Coachs.

Methodenkompetenz

Gute Coachs müssen über ausreichend Methodenkompetenz verfügen. Gängige Ansätze im Coaching zeichnen sich durch transparentes Vorgehen bei einem Hauptfokus aus Lösungsorientierung aus. Seriöse Coaches sind immer in der Lage, die Wirkzusammenhänge und die Intention des spezifischen Methodeneinsatzes zu erläutern.

Reflexionsfähigkeit

Ein seriöser Coach sollte in der Lage sein, über sich und seine Rollenausübung selbstkritisch zu reflektieren. Wenn wir als ein zentrales Ziel im Coaching die Förderung der Selbstreflexion des Klienten ansetzen, so ist es nur folgerichtig, dies vom Coach einzufordern. Diese Reflexionsfähigkeit kann durch eine begleitende Supervision unterstützt werden. Die grundsätzliche Bereitschaft und Fähigkeit zum Nachdenken und Nachspüren über eigene Anteile, Vorgehensweisen und methodische Ansätze kann als Basisvariable definiert werden.

Der Klient

Eigenes Anliegen

Coaching ohne Anliegen ist wie Schwimmen ohne Wasser. Ohne ein Thema bleibt Coaching eine nette Gesprächszeit. Klienten formulieren ihre Anliegen oftmals als Problemzustände. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sich aus einem Problem konsequenterweise ein Veränderungswille ableiten lässt. Viele Klienten verfahren nach dem Prinzip: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass.“ Der Grundsatz des Anliegens ist eng verknüpft mit der Veränderungsbereitschaft. Dies ist jedoch ein extra Aspekt, der getrennt betrachtet werden muss.

Veränderungsbereitschaft

Wie oben bereits dargestellt, wird der Klient nur an seinen eigenen Themen mit der fürs Coaching notwendigen Ernsthaftigkeit arbeiten. Nur, wenn ein Klient wirklich etwas verändern will, kann dies auch im Coachingprozess umgesetzt werden. Zur Präzisierung ist Veränderungsbereitschaft von der Veränderungsbefähigung zu trennen. Allein die Tatsache, dass ein Klient einen veränderten Zustand anstrebt, heißt noch nicht, dass er diesen auch erreichen kann.

Selbststeuerungsfähigkeit

Klienten müssen insbesondere in Abgrenzung zu therapeutischen Anliegen ein hohes Maß an Selbststeuerungsfähigkeit besitzen. Dies impliziert, dass der Klient grundsätzlich in der Lage wäre, seine problematische Situation zu bewältigen. Nur eben nicht so effektiv, schnell und zielgerichtet.

Das Unternehmen

Vertrauenskultur

Der Nährboden für Coaching heißt Vertrauen. Vertrauen in die Potenziale der Führungskräfte, Vertrauen in die Maßnahme Coaching selbst und zu guter letzt Vertrauen in den Coach. Dies soll keineswegs als unkritischer Appell zum blinden Vertrauen fehlgedeutet werden. Dennoch wird Coaching in einer Misstrauenskultur nur begrenzt wirksam werden.

Zeit

Coaching braucht Zeit. Diese scheinbar banale Erkenntnis wird allzu oft übergangen. Denn Coaching ist eine finanzielle und vor allem zeitliche Investition. Schnellschüsse erzielen hierbei nicht die notwendige Treffsicherheit.

Segeltörn oder Bahnfahrt?

Ein Gesamtprozess im Coaching kann in Analogie als Segeltörn mit fünf Stationen beschrieben werden. Systemisches Coaching ist sicherlich keine Einsenbahnstrecke mit vordefinierten Haltestationen, festen Weichen und einem termintreuen Zeitplan. Das COACH-Modell (vgl. Rauen & Steinhübel, 2001) dient zur Orientierung auf Micro-, Meso und Metaebene.

Contact
Orientation
Analyse
Change
Harbour

Ankommen an Board
Wohin geht die Reise?
Positionsbestimmung
Kursänderung
Hafeneinfahrt


Fragen als Basishandwerk

In Abwandlung des Buchtitels von Vera Birkenbiehl „Wer fragt führt“ können wir erweiternde festhalten: „Wer fragt coacht, wer (vor allem zu viel) redet, erschwert den Entwicklungsprozess.“ Zur handwerklichen Orientierung sind Fragemöglichkeiten dem COACH-Modell zugeordnet:

Contact
  • „Woran möchten Sie heute arbeiten?“
  • „Welches Thema steht heute an?“
  • „Was ist der Anlass für das heutige Gespräch?“
  • „Worüber wollen wir heute sprechen?“
  • „Wie würde ein Außenstehender das Thema/Problem beschreiben?“
  • „Was wird von wem als Problem bezeichnet?“

Bereits in dieser frühen Phase steuert der Coach den Problemlöseprozess. Würde er beispielsweise alternativ fragen: „Was wollen wir heute machen?“ bezieht er sich selbst aktiv mit in den Problemlöseprozess mit ein. Überziehen wir die Dienstleisterrolle und fragen gar: „Was darf ich heute für Sie tun?“ schwächen wir die Selbstreflexion des Klienten und sind zudem wohl besser im Restaurant als Kellner aufgehoben.

Orientation
  • „Wozu wollen Sie xy erreichen?“
  • „Welche Erwartungen haben Sie an den Prozess?“
  • „Was muss passieren, damit Sie Ihr Resultat als erfolgreich bewerten?“
  • „Was möchten Sie erreichen?“
  • „Was möchten Sie vermeiden?“
  • „Woran lässt sich feststellen, ob Ihre Ziele erreicht werden?“
  • „Wie lassen sich die Ziele zeitlich priorisieren?“
  • „Woran können Sie merken, dass unser Coaching erfolgreich war?“

In der zweiten Phase des Coachingprozesses steht die Ziel- und Erwartungsklärung im Fokus. Dabei geht es weniger um das „warum?“ sondern vielmehr um das „wozu?“. Klienten wissen oftmals besser, was sie nicht wollen, als das, was sie direkt wollen. Von daher muss der Coach dem Klienten helfen, seine Ziele für sich zu finden und zu präzisieren.

Analyse

Klärung der Vergangenheit

  • „Was hat aus Ihrer Sicht zu dem Problem geführt?“
  • „Was hat Ihnen bereits bei ähnlichen Situationen geholfen?“

Klärung der Gegenwart

  • „Was können Sie tun, um das Problem zu vergrößern?“
  • „Welche Lösungsansätze kommen Ihnen in den Sinn?“

Klärung möglicher Konsequenzen

  • „Stellen Sie sich vor, alles läuft so wie bisher: was ist in ½ Jahr erreicht?“
  • „Stellen Sie sich vor, das Problem ist gelöst: in welchen Schritten sind Sie dahin gekommen?“
Change
  • „Was können Sie von anderen lernen? Wie würde z.B. Ihr Kollege dieses Problem angehen?“
  • „Wie geht es Ihnen mit dieser Veränderung?“
  • „Mit wie viel Prozent ist Ihrer Meinung nach diese Lösung erfolgreich?“
  • „Als Anregung habe ich folgende Ideen. Bitte entscheiden Sie, welche zu Ihnen passt.“
  • „Lassen Sie uns mal gemeinsam Ideen dazu sammeln, zunächst ganz ohne Bewertung (Brainstorming).“
Harbour
  • „Was nehmen Sie als Ergebnis mit?“
  • „Wie genau gehen Sie vor?“
  • „Was ist der kleinste Schritt heute?“
  • „Was sind die nächsten Schritte?“
  • „Was werden Sie wann genau tun?“
  • „Was hat sich verändert, seit Sie hier sind?“
  • „Auf einer Skala von 0 bis 100, wie beurteilen Sie dieses Gespräch?“
  • „Mit welchen Gefühlen, Gedanken gehen Sie aus diesem Termin?“

Zurück