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Akademie Magazin

Burnout bemerken und bewältigen

Burnout und Stress ist in aller Munde. Fast scheint es eine Modewelle zu sein. Ähnlich wie beim Thema Mobbing beobachten wir ein Phänomen der Nicht-Differenzierung. Auf einmal wird jeder Konflikt als Mobbing bezeichnet. Das hilft weder den wirklich Betroffenen, noch fördert es eine sachliche Auseinandersetzung.

Ziel dieses Denkbriefes ist, Sachlichkeit zu fördern. Burnout ist keine offizielle Diagnose, auch wenn es den Anschein hat. Es beschreibt den Zustand der Erschöpfung, des Ausgebranntseins und der inneren Leere. Eng verwandt sind diese Beschreibungen mit depressiven Episoden. Daneben legen wir die Erkenntnis, dass Menschen Leistungsfreude als Basisbedürfnis in sich tragen, so wie es schon Geier Sturzflug in den 80er Jahren mit Ihrem Hit „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt..“ sangen. Fangen wir also an zu differenzieren. „Der Workoholic sucht nicht die Arbeit, sondern die Arbeit sucht ihn.“ (Sprenger)

Die gute Nachricht

Menschen sind für Leistung und Stress „gebaut“. Hochleistungen – sowohl körperlich als auch kognitiv – fordern uns heraus und aktivieren uns. Das hält uns langfristig gesund und motiviert. Dies gilt jedoch nur unter zwei Bedingungen.

Erstens:
Wir brauchen die Balance aus Leistung und Faulenzen, aus Anspannung und Entspannung, und aus Rennen und Innehalten.

Zweitens:
Wir brauchen in Stresssituationen die Möglichkeit, zu kämpfen oder zu flüchten, um die Stressreaktion abzufedern.

Was bedeutet das nun im modernen Arbeitskontext?

Zunächst, was heißt es nicht?

Nehmen wir an, ein Kunde beleidigt uns und wir würden am liebsten aktiv dagegen vorgehen und mit ihm mal sinnbildlich „vor die Tür gehen“. Das wäre aktiv konstruktives Stressmanagement. Adrenalin baut sich ab und wir lernen, dass wir uns mit Kämpfen schützen. Doch halt, da gibt es ja noch die Unternehmensregeln: „Der Kunde hat immer recht!“ und „Zeig immer ein Lächeln!“ Schon erleben wir den Konflikt, der uns langfristig eben nicht gut tut. Wie lässt es sich nun lösen?
Sich situationsangemessen zu schützen ist eine wichtige Kompetenz im Sinne eines aktiven Gesundheitsmanagements. Ein Beispiel: „Herr Kunde, ich kann Ihren Ärger verstehen und wir finden sicherlich eine Lösung. Doch ich muss mich nicht von Ihnen persönlich angreifen lassen. Also bitte ändern Sie Ihren Ton.“ Diese Formulierung muss jedoch von den Vorgesetzen mitgetragen werden. Hier braucht es Schutz als gesundheitsförderliche Unterstützung. Im Nachgang zu diesem Gespräch gönnen Sie sich bitte direkte Bewegung. Unser Körper sagt uns unter Stressaktivierung:“ Beweg Dich!“ Also, Treppe statt Fahrstuhl, einmal Luft schnappen am Fenster oder im Stehen telefonieren.

Die schlechte Nachricht

Wenn wir über längere Zeit nicht dafür sorgen, Adrenalin zeitnah abzubauen, ändert sich unser Hormoncocktail. Cortisol, ein Hormon, was unser Schmerzempfinden verringert, übernimmt die Kontrolle. Jetzt wird es gefährlich, denn Cortisol steigert die Fettaufnahme und gefährdet damit unser Herz-Kreislaufsystem. Betroffene schildern auf die Frage: „Sind sie gestresst?“ „Nein, ich kämpfe mich so durch.“ Sie merken den Schmerz und damit auch das Risiko nicht. Burnout entsteht im statistischen Schnitt, wenn über mind. 6 Monaten das Empfinden von Dauerbelastung anhält. Es geht dabei um die subjektive Belastung, den Unterschied von Kompetenzerleben und Anforderung. Der Berg ist höher als meine Fähigkeit, diesen zu besteigen. Also Achtung: Werden Sie aktiv und zwar sofort! Erweitern Sie Handlungsoptionen! Das hilft jetzt am besten. Das bedeutet beispielweise, raus aus der Situation. Welchen Spielraum kann ich aktiver gestalten? Dies kann ein langes Wochenende sein oder ein innerer Ausstieg mit Entspannungsverfahren. Hilfreich ist nicht das Vorhaben, wenn das Projekt in einem ¾ geschafft ist, wird es ruhiger. Jetzt wird gehandelt!
“In order that people may be happy in their work, these three things are needed: they must be fit for it, they must not do too much of it, and they must have a sense of success in it.“ (John Ruskin, 1851)

Der einfache Selbsttest

Emotionale Erschöpfung:
Fühle ich mich in letzter Zeit erschöpfter als sonst? Machen Sie den Couchtest. Freitag abend auf der Couch, wie geht es mir? Es geht dabei immer um die wahrgenommene Veränderung.

Leistungsfähigkeit:
Wie leistungsfähig fühle ich mich? Wie gut kann ich die aktuellen Anforderungen bewältigen?

Zynismus:
Wie oft erwische ich mich bei zynischen Bemerkungen? Wo formuliere ich bissig?

Wir alle haben zusätzlich ein eingebautes körperliches Frühwarnsystem. Typische Anzeichen können sein: Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magendruck, Herzrasen, Ohrprobleme o.ä. Es geht darum, achtsam mit sich selbst umzugehen. Wie wir unser Auto auch zum Servicecheck bringen, können wir dies mit uns selbst auch tun. Noch mal: Garagenfahrzeuge sind weniger gut in Schuss als Langstreckenautos, die gut gewartet werden. Anders herum gedacht, sah ich folgenden Spruch auf einer Postkarte: „Das schwierige beim Nichtstun ist, dass man nicht weiß, wann man damit fertig ist.“
Der Mensch braucht vier Bereiche, um langfristig ein sinnvolles Leben zu führen:

  • Ziele selbst setzen können;
  • Seine Grundwerte (wie z.B. Fairness, Anerkennung oder Kollegialität) im Unternehmen nicht verletzt zu finden;
  • Selbsteffizienz erleben können und Kontrolle ausüben zu können;
  • Sich einen Wert zuschreiben können.

Der kollegiale Blick

Kollegiale Unterstützung hilft. Seien Sie wachsam für die Kollegin und den Kollegen und gehen Sie nicht leichtfertig über Signale hinweg. „Na, wie geht’s Dir?“ kann hier eine ernstgemeinte Frage sein und nicht bloß eine Floskel. Wie kann ich unterstützen? Was brauchst Du? Achten Sie mal darauf, wie sie miteinander sprechen. Einige KollegInnen sorgen für eine Abwärtsspirale, bevor Belastungen auftauchen. Gedanken wie „Was für ein Saustall hier!“ „So bescheuerte Kunden können auch nur wir haben!“ oder „Das ist mal wieder typisch, uns nimmt keiner ernst!“ verstärken den dysfunktionalen Druck unnötig.

Die Führungsaufgabe

Als Führungskraft kommt Ihnen eine besondere Verantwortung zu. Zunächst für sich selbst, denn von Führungspersonen wird oftmals erwartet, sich abgrenzen zu können, ein wirksames Selbstmanagement zu installieren und Prioritäten zu setzen. Gerade das mittlere Management bezeichne ich als „blinden Fleck“ in Organisationen. Führungskräfte in dieser, sogenannte Sandwichposition, werden kaum gesehen, wenn es um gesundheitliche Beeinträchtigen geht. Also schauen Sie auf sich selbst. Eine einfache Fragenliste kann helfen:

Muss diese Arbeit überhaupt getan werden?

  • Was passiert, wenn sie nicht gemacht wird?
  • Bringt diese Arbeit mich oder das Unternehmen den gesetzten Zielen näher?
  • Mache ich diese Arbeit nur aus gewohnheitsmäßiger Routine?

Muss ich diese Arbeit selbst tun?

  • Habe ich Mitarbeiter, an die ich sie delegieren könnte?
  • Haben diese die notwendigen Kompetenzen?
  • Bin ich bereit, sie ausreichend zu unterweisen?

Muss ich diese Arbeit so tun?

  • Ist der rationellste Erledigungsweg gewählt?
  • Muss sie so ausführlich und exakt sein?
  • Muss sie (jetzt und überhaupt) in diesem Umfang gemacht werden?

Verantwortung übernehmen

Führungsverantwortung bedeutet auch, das passende Maß an Anforderung für Mitarbeiter zu ermöglichen. Dies ist ein Teil von Arbeits- und Ressourcenplanung. Sollten Sie dennoch das Gefühl haben, einem Mitarbeiter droht Überlastung, sprechen Sie ihn zeitnah an. Ähnlich wie beim Thema Alkoholverdacht zögern wir zu lange aus Angst etwas falsch zu machen. Gerade dies ist der Kardinalfehler. Folgender Leitfaden hilft dabei:
Guter Gesprächsrahmen
Ungestörter positiver Rahmen, kein zu formales Gespräch

Bieten Sie eigene Wahrnehmungen an:

  • „Ich habe den Eindruck, dass…“
  • „Mein Empfinden ist, Sie haben sich verändert in…“
  • „Ich erlebe Sie in den letzten Wochen immer mal wieder gehetzt und gereizt“.

Bitten Sie den Mitarbeiter um seine Sicht:

  • „Wie erleben Sie sich selbst?“
  • „Wie kommen Sie mit den aktuellen Anforderungen zurecht?“
  • Keine versteckte Leistungskritik!

Finden Sie gemeinsame Lösungen:

  • „Was können Sie selbst aktiv tun, um…?“
  • „Wo können Kollegen helfen?“
  • „Was brauchen Sie von mir, um langfristig motiviert und leistungsfähig zu bleiben?“

Nicht zu schnell und leichtfertig die Anforderungen reduzieren. Dies kann ebenso als Schwächung empfunden werden, wie eine Überlastung. Bei ersten Signalen an beiden Säulen (Anforderungen und Kompetenzerleben) arbeiten!

Vereinbarungen und Selbstüberwachung

  • „Wie verbleiben wir konkret?
  • „Wie können Sie selbst Ihren Anspannungspegel wahrnehmen?“
  • „Wann heben Sie deutlich die Hand?“

Schnelle Entspannung

Zum Schluss noch ein unorthodoxe Gedanken. Die drei schnellsten Formen der Entspannung lauten: genussvoll Essen, herzhaft Lachen und lustvolle Sexualität.

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